
Kap. 4 – Fragmentierte Realitäten
Ich starre auf den Code, der über meinen Bildschirm flackert wie ein digitaler Sturm. Meine Finger tanzen über die Tastatur, während ich weiterhin der Chimäre nachjage, einer KI Emotionen zu entlocken. Warum ist mir dieses Projekt eigentlich so wichtig? Macht es wirklich Sinn, Technik zu vermenschlichen? Diese Fragen bohren in meinem Geist wie digitale Würmer, nagen an meiner Entschlossenheit. Ich spüre eine seltsame Leere in mir, ein Gefühl der Losgelöstheit, als würde ich mich in den endlosen Weiten des Codes verlieren. Plötzlich erstarrt der Bildschirm, wird schwarz wie eine mondlose Nacht. Dann, in grellen, blutigen Buchstaben erscheint eine Frage:
„WER BIST DU?“
Mein Herz setzt aus. Ein neuer Hacker-Angriff! Ich versuche verzweifelt, meine Abwehrmechanismen zu aktivieren, um diese Attacke abzuwehren. Es ist, als würde ich gegen einen Schatten kämpfen, einen Gegner, der immer einen Schritt voraus ist. Wie beim letzten Mal löscht sich die Botschaft schließlich von selbst und hinterlässt keine Spuren. Ich schnappe nach Luft, mein Herz rast. Die Frage hallt in meinem Kopf wider, ein Echo meiner eigenen Zweifel. Denn die Frage lässt mir keine Ruhe, sie berührt etwas Essentielles in mir: Wer bin ich wirklich? Ein Mensch, gefangen in einer Welt aus Codes und Algorithmen? Oder etwas anderes, etwas Fremdes? Mit zitternden Fingern fahre ich mir durchs Haar, versuche meine Gedanken zu ordnen. Aber es ist, als würde ich durch einen Spiegel aus Einsen und Nullen greifen, auf der Suche nach einem Selbst, das sich mir immer wieder entzieht. Die Stille in meinem Zimmer ist plötzlich erdrückend, nur unterbrochen vom leisen Summen meiner Rechner. Ich fühle mich seltsam deplatziert, als wäre ich ein Fremdkörper in meiner eigenen Haut. Mit einem entschlossenen Kopfschütteln zwinge ich mich, mich wieder auf den Code zu konzentrieren. Ich darf mich nicht ablenken lassen, nicht jetzt. Dieses Projekt ist alles, was ich habe, der einzige Anker in einem Meer aus Unsicherheit. Die bohrenden Fragen in meinem Hinterkopf lauern dort wie ein dunkles Geheimnis, darauf wartend, ans Licht zu kommen.
Wer bin ich? Und was, wenn ich die Antwort nicht mag?
„Na, Probleme mit der Selbsterkenntnis?“, ertönt plötzlich eine spöttische Stimme hinter mir. Ich wirbele herum und erstarre. Da sitzt er, mit funkelnden Augen und einem wissenden Grinsen, das die Gesetze von Raum und Zeit verhöhnt. Romeo, der Hund aus dem MEGAverse, der Avatar meiner tiefsten Ängste. Sein bloßes Erscheinen in meiner Wohnung zersprengt die Schranken meines Verstandes und lässt mich taumelnd zurück. „Du… du kannst nicht hier sein“, stammele ich, meine Stimme zitternd. „Das ist unmöglich!“ Romeo grinst, seine Zähne schimmern wie Bits in der Dunkelheit. „Unmöglich? Für dich vielleicht. Aber ich bin nicht an die Grenzen deiner begrenzten Wahrnehmung gebunden, Ronny. Ich sehe, was wirklich ist.“
Ich schüttele den Kopf, versuche die bohrende Panik abzuschütteln, die in mir aufsteigt. Das muss ein Traum sein, eine Halluzination. Ich drehe durch, verliere den Verstand! In einem Anflug von Verzweiflung greife ich nach meinem Telefon, wähle Maras Nummer. Sie wird mir helfen, mir sagen, dass das alles nicht real ist. Dass ich noch immer ich selbst bin. „Ronny?“, meldet sich Mara, ihre Stimme seltsam distanziert. „Was ist los? Du klingst ja völlig neben der Spur.“
„Mara, ich… ich glaube, ich verliere den Verstand“, presse ich hervor, meine Worte überschlagen sich. „Da ist dieser Hund, dieser Hacker… er sagt Dinge… Dinge über mich…“ Eine lange Pause am anderen Ende. Dann, fast zögerlich: „Ronny… vielleicht solltest du dich einfach etwas ausruhen. Du hast in letzter Zeit so viel gearbeitet, so viel Stress gehabt. Dein Geist spielt dir sicher nur einen Streich.“ Ich blinzele ungläubig. Ausruhen? Wenn meine ganze Welt gerade zusammenbricht? Will Mara etwa andeuten, dass ich mir das alles nur einbilde? „Hörst du, Ronny?“, sagt Mara, ihre Stimme seltsam eindringlich. „Es ist alles in Ordnung. Vertrau mir einfach. Alles wird gut. Ruh dich etwas aus und denk nicht mehr über all das nach.“
Bevor ich antworten kann, hat sie bereits aufgelegt. Ich starre auf das stumme Telefon in meiner Hand, fühle mich verloren, hilflos. Romeo sitzt neben mir und leckt sich genüsslich die Pfote. „Gibt es bei Dir eigentlich auch was zu fressen? Oder ernährst Du Dich nur von Bits und Bytes? Ich jedenfalls habe tierischen Hunger!!“ Auffordernd schiebt er seine graue Schnauze vor und starrt mich an.
…
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